Die Werkstatt war längst geschlossen, als Anton dort ankam.
Nur das kalte Licht der Strassenlaterne stand noch über dem Parkplatz, legte einen dünnen gelben Film über den Asphalt, als würde die Nacht selbst versuchen, sich als etwas Harmloses zu tarnen.
Er blieb einen Moment stehen.
Hörte.
Roch den öligen Duft, der aus dem dünnen Spalt unter dem Garagentor herausatmete.
Der Atem einer Werkstatt hat etwas Ehrliches, dachte er.
Nichts wird geschönt, nichts versteckt, Metall riecht nach Metall, Öl nach Öl, Fehler nach Fehler.
Er kannte den Inhaber seit Jahren.
Ein Mann, der Ruhe nur dann fand, wenn Motoren liefen.
Vielleicht deshalb hatte Anton ihn gemocht.
Menschen, die arbeiten, um zu vergessen, erkennt man sofort.
Als er sich bückte, sah er es.
Die Verschraubung am Seitentor war frisch gelöst.
Nicht herausgerissen, gelöst.
Mit einem Werkzeug, das wusste, was es tat.
Und jemand hatte versucht, die obere Schraube wieder anzusetzen, aber nicht sauber.
Ein Einbrecher, der zu früh gestört wurde oder zu spät Mut fand.
Anton strich mit dem Daumen über das Metall.
Noch warm.
Er richtete sich auf, blickte über den Hof.
Die Laterne zeichnete seine Silhouette lang über den Boden, als hinge etwas an ihm, das nicht zu ihm gehörte.
Im Hintergrund knackte die Heizung des Wohnhauses, irgendwo fiel eine Flasche um, und die Nacht zog sich enger zu.
Er öffnete das Tor einen Spalt.
Die Werkstatt war dunkel.
Nur die Konturen der Hebebühne standen wie ein schweigender Wächter im Raum.
Daneben das Werkzeugbrett, akkurat sortiert, wie er es kannte, und genau deshalb sah er sofort, was nicht stimmte.
Ein Schraubenzieher fehlte.
Kein teures Gerät, kein Spezialwerkzeug.
Aber der Platz war leer.
Und ein leerer Platz verrät mehr als ein voller.
Anton ging langsam hinein, ließ seine Schritte bewusst hörbar.
Wenn jemand noch da war, sollte er wissen, dass er gehört wurde.
Nach ein paar Metern blieb er stehen und lauschte in die Stille, die eigentlich keine war, das Summen der Leitungen, das tief eingegrabene Herz aus Beton, das jede Werkstatt hat.
Dann sah er den Schatten.
Oder besser: den Rest eines Schattens, der sich verzogen hatte.
Ein schneller Schritt, ein Reflex, irgendwo hinter der Bühne.
Anton atmete ein.
Nicht tief, nur bewusst.
Es gibt Momente, in denen man nicht entscheidet, ob man weitermacht, der Moment entscheidet für einen.
Er ging um die Hebebühne herum, tastete mit dem Blick, als würde er die Dunkelheit abklopfen.
Nichts.
Nur der Schraubenzieher, der auf dem Boden lag, als hätte ihn jemand in letzter Sekunde fallen lassen.
Er hob ihn auf.
Keine Fingerabdrücke sichtbar, aber Spuren, die später welche sein konnten.
Hinter ihm öffnete sich plötzlich die Tür.
Der Inhaber, die Jacke halb über die Schulter geworfen, bleich wie ein Mensch, der zu lange überlegt hat. Als er Anton sah, blieb er stehen, und etwas zwischen Erleichterung und Scham flackerte über sein Gesicht.
„Wieder jemand?“, fragte er leise. Anton nickte.„Diesmal nicht improvisiert.“
Der Mann sah zum Boden, dann zur Hebebühne.
„Ich dachte … hier passiert das nicht. Nicht bei mir.“
Anton legte ihm den Schraubenzieher in die Hand.
„Es passiert immer dort, wo jemand etwas verliert, das ihm wichtig ist.“
Der Inhaber schloss die Finger langsam darum, so als müsste er sich erst daran erinnern, wie Halten funktioniert.
„Und was passiert jetzt?“
Anton blickte zur Tür, zur Nacht, die dahinter wartete.
„Jetzt? Jetzt sicherst du, was dir gehört. Und ich sage dir, wie.“
Die Werkstatt atmete wieder.
Langsam.
Und während Anton mit dem Mann die ersten Schritte durchging, spürte er die Stille, die sich wieder auf den Hof legte.
Eine Stille, die nie leer ist.
Nur wach.
Antons Welt wächst mit jeder Nacht.
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Jede Geschichte beginnt mit einem Moment, den man nicht ignorieren kann.


